Der Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990, als die zwei Deutschlands ihre Grenzen fallen ließen, zeigt uns, macht uns deutlich, demonstriert, hält uns vor Augen: Die Zeit der Verträge ist vorbei, sie sind noch nicht mal das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind. Deutschland macht jetzt all das, was es versprochen hat, dass es dies nicht mehr machen wird. Was soll’s? Keiner schert sich drum, außer die paar Querdenker und – genderkorrekt Querdenkerinnen – auf der Straße, die sowieso laut herrschender Lehre, einen Schuss im Hirn haben und so darf wieder geschossen werden.
Dass es so ist wie es ist, wurde mir bei der Rezension des Buches von Sheldon S. Wolin „Der umgekehrte Totalitarismus“ klar. In den USA ist es schon 2008 herausgekommen, jetzt bei uns, auf deutsch, dieses Jahr im Westend Verlag. Das Buch hat 464 Seiten und beschreibt die Entpolitisierung der Bevölkerung, unseren geradlinigen Weg in den frei gewählten Untergang. Die Gestalten wurden sozusagen schlaftrunken frei gewählt, die jetzt an der Macht sitzen und unter dem Diktat der Wirtschaft eine Ökonomie der Angst betreiben, Angst vor Terrorismus, Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, Angst vor Altersversorgung, Angst vor dem Verlust der Gesundheit, vor Bildung.
Was haben sie noch im Angebot? Vor allem Angst. Es geht nicht mehr um Klassenkampf, sondern um die Ideologie der Angst. Es ist ein Totalitarismus, ein umgekehrter, wie Wolin schreibt, nicht der klassische, bei dem der Unterdrücker klar erkennbar ist, der Unterdrücker wurde mit dem Phänomen der Angst unsichtbar in unser Gehirn eingepflanzt. Die Demokratie ist in der Defensive. Die Frage ist, wie holt sie ihr verlorenes Terrain zurück? Wolin sieht eine Chance im lokalen, kleingliedrigen Kontext, bis für jeden erkennbar die Masken der ausbeutenden Eliten fallen, bis jeder aus seinem Tiefschlaf erwacht und dann Verträge wieder eine Bedeutung haben.